Oder: Diesel-Fahrzeuge von Fahrverboten bedroht

 

Am 27.02.2018 urteilte das Bundesverwaltungsgericht in zwei Fällen. Quintessenz der Urteile: Ausnahmsweise sind ein Fahrverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge möglich.

 

Die Vorgeschichte

Seit dem Jahr 2015 ist bekannt, dass u.a. VW eine Software in Dieselfahrzeugen benutzten, die auf den Prüfständen eine Abweichung des Verbrauches im Real- und Prüfbetrieb herbeiführte. Hierdurch sollten, insbesondere in den USA, Umweltschutznormen umgangen werden. Darüber hinaus wurde der Schadstoffausstoß als zu gering angezeigt. Der Skandal weitete sich aus: nicht nur Fahrzeuge des Herstellers VW sind betroffen. In vielen deutschen Städten wurden derart hohe Stickstoffdioxidbelastungen gemessen, die die seit 01.01.2010 geltenden Grenzwerte teilweise weit überschritten.

 

Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

Die Länder Nordrhein-Westphalen und Baden-Württemberg wehrten sich gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart und unterlagen im Wesentlichen. Die Länder wurden verpflichtet,  die Luftreinhaltepläne der Städte Düsseldorf bzw. Stuttgart zu ändern bzw. zu ergänzen.

 

Sollte eine Stadt oder Kommune nun ein Fahrverbot für Diesel-Kraftfahrzeuge erwägen, sind die gerichtlichen Maßgaben, insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.

 

Die Urteile liegen im Volltext noch nicht vor. Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts finden Sie hier.

 

Der Fall in Düsseldorf

In dem Verfahren 7 C 26.16 verpflichtete das Verwaltungsgericht Düsseldorf das Land Nordrhein Westphalen, den Luftreinhalteplan für Düsseldorf zu ändern. Durch den geänderten Luftreinhalteplan soll schnellstmöglich der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet eingehalten werden. Der Grenzwert wird über ein Jahr gemittelt. Das Land Nordrhein Westphalen sei außerdem verpflichtet, weitere Maßnahmen zur Beschränkung der Emissionen zu prüfen. Auch beschränkte Fahrverbote seien nicht ausgeschlossen.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13.09.2016, Az.: 3 K 7695/15, finden Sie hier.

 

Der Fall in Stuttgart

In dem Verfahren 7 C 30.17 verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart das Land Baden-Württemberg, den Luftreinhalteplan zu ergänzen. In der Umweltzone Stuttgart soll schnellstmöglich der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³  (Mittelwert eines Kalenderjahres) und eines Stundenwertes von 200 µg/m³ eingehalten werden. Im gemittelten Grenzwert eines Kalenderjahres seien darüber hinaus maximal 18 Überschreitungen zulässig. Das Land habe ein ganzjähriges Fahrverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotor unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 und solche mit Ottomotor unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in Betracht zu ziehen.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26.07.2017, Az.: 13 K 5412/15, finden Sie hier.

 

Was genau entscheid nun das Bundesverwaltungsgericht?

Zwar lässt das Bundesrecht strecken- und zonenbezogene Verkehrsverbote speziell für Diesel-Kraftfahrzeuge nicht zu. Nach der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung kann ein Fahrverbot, das an das Emissionsverhalten von Kraftfahrzeugen anknüpft, jedoch nach Maßgabe der Verordnung möglich sein, nämlich der roten, gelben und grünen Plakette (so genannte „Plakettenregelung“). Da die Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte der Stickstoffdioxidbelastung auf Unionsrecht zurück geht, ist die Plakettenregelung aber nicht anwendbar, wenn ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge die einzige geeingnete Maßnahme ist, die zeitliche Überschreitung der Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten.

Im Hinblick auf den Luftreinhalteplan für Stuttgart bedeutet dies, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist. Fahrverbote dürfen deshalb nur phasenweise eingeführt werden. In der ersten Phase darf ein Fahrverbot nur ältere Fahrzeuge (beispielsweise diejenigen bis zur Abgasnorm Euro 4) betreffen. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit dürfen Fahrverbote für Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 nicht vor dem 01.09.2019 in Kraft treten. Ausreichende Ausnahmen z.B. für Anwohner oder Handwerker sind zu regeln.

In Bezug auf den Luftreinhalteplan Düsseldorf hat das Land Nordrhein-Westphalen nun Maßnahmen zur Emissionen, die von Diesel-Kraftfahrzeugen ausgehen, zu berücksichtigen. Ergibt sich bei einer Abwägung, dass allein ein Fahrverbot für Diesel-Kraftfahrzeuge geeigenet ist, die Grenzwerte der Stickstoffdioxidbelastung einzuhalten, sind diese in Betracht zu ziehen.

 

In Potsdam und Cottbus berät und vertritt Rechtsanwältin Claudia Napieralski Sie zu allen Fragen des Verkehrsrecht, Fahrverboten und Ansprüchen wegen Ihres Diesel-Fahrzeugs.