Der Ersteher einer Immobilie muss bei eigenmächtiger Räumung alle in der Immobilie vorgefundenen Gegenstände dokumentieren. Sonst drohen möglicherweise hohe Schadensersatzforderungen des bisherigen Eigentümers!
Eigenmächtige Räumung nach Zwangsversteigerung kann teuer werden
Der Fall:
Die bisherigen Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks verlangen vom neuen Eigentümer Schadensersatz. Dieser hatte das Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung erworben und ohne Hinzuziehung eines Gerichtsvollziehers in Besitz genommen. Er hat das Haus räumen lassen und einige Gegenstände aus dem Haus in ein Auktionshaus gegeben. Das Haus wurde dann abgerissen.
Die vorherigen Eigentümer verlangten die Herausgabe einer Vielzahl von Gegenständen, im Wesentlichen Bilder und Möbel, die sich im Haus befunden haben sollen. Schließlich verlangen sie Schadensersatz in Höhe von 567.000 € wegen Nichtherausgabe von Gegenständen und weitere 30.000 € wegen beschädigt zurückgegebenen Gegenständen.
Das Landgericht verurteilte den neuen Eigentümer auf Zahlung in Höhe von lediglich 4.300 €. Der Ersteher hafte dem Grunde nach auf Schadensersatz, weil er das Haus und die darin befindlichen Gegenstände durch verbotene Eigenmacht in Besitz genommen habe. Die bisherige Eigentümerin habe jedoch nicht ausreichend dargelegt, dass sich die Gegenstände noch im Haus befunden hätten und in welchem Zustand sie gewesen sein sollen.
Der BGH entscheidet: Beweislastumkehr, weil Inventarliste fehlt!
Der BGH verweist den Rechtsstreit zurück an das Landgericht.
Der Ersteigerer hafte, so der BGH, dem Grunde nach auf Schadensersatz. Weil er das in der Zwangsversteigerung erworbene Haus ohne Zuhilfenahme eines Gerichtsvollziehers in Besitz genommen habe, handelte er in verbotener Eigenmacht. Die von ihm selbst aus dem Haus entfernten Gegenstände seien nicht Gegenstand der Zwangsversteigerung gewesen. Damit stünden sie immer noch im Eigentum des vorherigen Eigentümers. Dieser könne sich auf eine Erleichterung der Beweislast berufen.
Grundsätzlich sei derjenige, der Schadensersatz wegen verbotener Eigenmacht verlangt, nach den allgemeinen Regeln darlegungs- und beweispflichtig. Der BGH nimmt aber eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Erstehers an. In Fällen der sogenannten „kalten Räumung“ nimmt ein Vermieter die Wohnung seines Mieters ohne gerichtlichen Räumungstitel in verbotener Eigenmacht in Besitz.
Der Vermieter habe dann dafür Sorge zu tragen, dass die Gegenstände des Mieters nicht beschädigt werden oder verloren gehen. Er muss ein Inventarverzeichnis anlegen und die aufgeführten Gegenstände wertmäßig schätzen lassen. Lediglich bei offenkundig wertlosen Gegenständen ist dieses Verzeichnis entbehrlich. Hat der Vermieter ein solches Verzeichnis nicht angelegt, ist er hinsichtlich Bestand und Zustand der Gegenstände beweispflichtig.
Diese Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Fall der im Wege der Zwangsversteigerung erworbenen Immobilie, die eigenmächtig in Besitz genommen wird. (BGH, Urteil v. 23.06.2017, V ZR 175/16)
Nimmt der Ersteher des Hauses dieses ohne Gerichtsvollzieher in Besitz, so hat er auf die Interessen des Schuldners ebenso Rücksicht zu nehmen. Er muss ein Verzeichnis der vorgefundenen Gegenstände aufstellen, es sei denn, sie sind wertlos. Unterlässt der Ersteher der Immobilie dies, so ist er im Streitfall beweispflichtig.
Rechtstipp
Wird die Inbesitznahme des ersteigerten Hauses mithilfe eines Gerichtsvollziehers vollzogen, werden die Interessen des Schuldners gewahrt. Der Gerichtsvollzieher bringt die Gegenstände in Verwahrung oder belässt diese nach Erfassung in einem Protokoll in der Immobilie (sogenannte Berliner Räumung).
Zu diesem Thema sowie allen weiteren Fragen rund um das Haus- und Wohnungseigentum berät Sie Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Albert sehr gern. Vereinbaren Sie einfach telefonisch unter 0355-4792010 einen Termin.